Krankheit & Therapie

Systemischer Lupus erythematodes

Systemischer Lupus erythematodes (SLE, Schmetterlingsflechte, Lupus visceralis, Lupus disseminatus): Chronisch-entzündliche Autoimmunkrankheit mit Befall zahlreicher Organe und unterschiedlichsten Verlaufsformen. Die häufigsten Symptome sind Fieberschübe, Gelenkbeschwerden und Hautveränderungen. Die etwa 35 000 Betroffenen in Deutschland sind zu 80 % weiblich, die ersten Symptome zeigen sich meist mit 30 Jahren. Zum Eindämmen der entzündlichen Prozesse werden Hydroxychloroquin und, wenn nötig, Kortison eingesetzt. Bei drohenden Organschäden kommen immununterdrückende Medikamente hinzu.

Symptome und Leitbeschwerden

  • Fieber, Müdigkeit, Gewichtsverlust
  • Gelenkschmerzen und Muskelschmerzen
  • Scheibenförmige rote, manchmal schuppende Flecken an unbedeckter Haut (Arme, Hände, Dekolleté, Nacken)
  • Symmetrische Rötung auf Nasenrücken und Wangen (Schmetterlingserythem).

Wann in die Arztpraxis

Demnächst, bei

  • unerklärbarem Gewichtsverlust oder Fieber
  • Gelenk- oder Muskelschmerzen
  • neu aufgetretenen ungewöhnlichen Hautveränderungen.

Die Erkrankung

Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine chronische Autoimmunkrankheit. Dabei richtet sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper. Beim SLE werden vor allem die Gefäße angegriffen. Das passiert, indem das Immunsystem Antikörper gegen die Zellkerne der eigenen Körperzellen bildet.

Häufigkeit und Vorkommen

Vom SLE sind vor allem Frauen im gebärfähigen Alter betroffen. In Europa geht man davon aus, dass auf 100 000 Einwohner*innen etwa 30 bis 50 Betroffene kommen. Die Erkrankung tritt weltweit auf. In Asien ist sie doppelt, in Afrika sieben- bis achtmal so häufig wie in Europa.

Ursachen

An der Entstehung des SLE sind mehrere Faktoren beteiligt. Eine Rolle spielt die genetische Veranlagung. Womöglich liegt die Störung auf dem zweiten X-Chromosom, das nur Frauen haben, weshalb auch mehrheitlich Frauen an einem SLE erkranken. Als wichtige weitere Auslöser werden Virusinfektionen (z. B. mit dem Ebstein-Barr-Virus) und Sonnenlicht betrachtet.

Hinweis: Beim medikamenteninduzierten Lupus erythematodes (siehe unten) führt die Einnahme bestimmter Medikamente zu einem Beschwerdebild, das dem SLE gleicht.

Klinik

Die Erkrankung entwickelt sich oft schleichend, wobei die Beschwerden in Schüben auftreten. Im akuten Schub fühlen sich die Patient*innen müde, krank und abgeschlagen und haben häufig Fieber. Dazu kommen weitere organspezifische Symptome und Befunde – in jeweils ganz unterschiedlichem Ausmaß:

  • Haut (bei 95 % der Patient*innen betroffen): Die Haut von Lupuserkrankten ist sehr empfindlich gegenüber UV-Strahlen. Vor allem an sonnenlichtexponierten Stellen wie z. B. dem Dekolleté entstehen Rötungen, Hornhautverdickungen und Pigmentstörungen (UV-Licht kann sogar Krankheitsschübe auslösen). Bei 50 % der Betroffenen zeigt sich die typische schmetterlingsförmige Hautrötung im Gesicht (Schmetterlingserythem). 20 % haben ein sekundäres Raynaud-Syndrom, bei dem sich durch Kälte die kleinen Blutgefäße der Finger kleinstellen. Die Finger verfärben sich dann zuerst weiß und später blaurot. Manche Erkrankte leiden auch an nicht-vernarbendem Haarausfall, oft treten Schleimhautentzündungen in Mund und Rachen auf.
  • Gelenke (95 %): Meist morgens machen sich schmerzhafte, geschwollene Gelenke insbesondere an Knien und Händen bemerkbar. Häufig sind die Sehnenscheiden mitbefallen. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis nehmen die Gelenke dabei allerdings keinen Schaden.
  • Blut: Es kommt zu Anämie (Blutarmut, also Mangel an roten Blutkörperchen), aber auch zu Leuko- und/oder Thrombozytopenie (Mangel an weißen Blutkörperchen bzw. Blutplättchen). Etliche Patient*innen weisen Gerinnungsstörungen auf. Diese führen zu Thrombosen und Schlaganfällen und bei Schwangeren zu einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten.
  • Lungen: Häufig entwickeln sich Rippenfellentzündungen (50 %) mit starken Schmerzen beim Atmen. Bei vielen Patient*innen kommt es zu einer nicht-infektiösen Lungenentzündung, bei der das Lungengewebe schließlich bindegewebig vernarbt (Lungenfibrose). Die Folgen sind Husten und Luftnot.
  • Nieren (45 %): Die Nierenentzündung (Lupusnephritis) gehört zu den folgenschwersten Manifestationen des SLE. Dabei führen entzündliche Veränderungen und Ablagerungen an den Glomeruli (den Filterkörperchen der Niere) dazu, dass über die Niere vermehrt Eiweiß verloren geht. Gleichzeitig können gewisse Abfallstoffe des Körpers nicht mehr gut ausgeschieden werden. Unbehandelt droht im schlimmsten Fall ein komplettes Nierenversagen.
  • Herz und Gefäße (40 %): Am häufigsten entzündet sich der Herzbeutel (Perikarditis), was zu beschleunigtem Herzschlag, Atemnot und Fieber führt. Seltener sind Herzinnenhaut oder Herzmuskel betroffen (Endokarditis und Myokarditis), Zeichen dafür sind Schwäche und Schmerzen. Die lupusbedingte Entzündung des Gefäßbindegewebes und die im Blut auftretenden Antikörper bewirken, dass die Gefäße schneller verkalken. In der Folge kommt es vermehrt zu Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall.
  • Zentrales Nervensystem (30 %): Der SLE kann durch entzündliche Vorgänge eine ganze Reihe von Störungen des ZNS hervorrufen. Dazu zählen Krampfanfälle und Psychosen, starke Kopfschmerzen, Depressionen sowie Störungen von Merkfähigkeit und logischem Denken.

Verlauf

Da sowohl die Schwere als auch der Verlauf stark variieren, sprechen manche Ärzt*innen davon, dass die Krankheit "würfelt": chronisch schubförmige, seltener auch kontinuierlich fortschreitende Verläufe, der Wechsel der betroffenen Organe – alles ist möglich. Das Ausmaß der Beschwerden unterscheidet sich ebenso. Manche Patient*innen leiden stark unter Hauterscheinungen und Gelenkbeschwerden. Andere merken von ihrer Erkrankung kaum etwas – z. B. wenn nur die Niere betroffen ist. Letzteres ist aber umso gefährlicher, weil die Diagnose dann oft erst gestellt wird, wenn das Organ schon schwer geschädigt ist.

Sonderformen

Beim Lupus gibt es zwei wichtige Sonderformen. Den medikamenteninduzierten Lupus erythematodes und den kutanen Lupus erythematodes.

Der medikamenteninduzierte Lupus erythematodes wird durch Arzneimittel ausgelöst. Bekannt dafür sind das Antiarrhythmikum Procainamid, die Hochdruckmedikamente Hydralazin und Methyldopa sowie das Tuberkulosemedikament Isoniazid. Sie verursachen Gelenk- und Muskelschmerzen sowie Hauterscheinungen, die dem SLE stark ähneln. Häufig kommt es auch zu schmerzhaften Entzündungen des Rippenfells oder des Herzbeutels (Pleuritis, Perikarditis). Durch Absetzen des auslösenden Medikaments bilden sich die Beschwerden komplett zurück.

Im Gegensatz zum traditionellen SLE sind beim medikamenteninduzierten Lupus erythematodes deutlich mehr Männer als Frauen betroffen. Unterscheiden lassen sich die beiden Formen durch die Blutuntersuchung: Beim medikamenteninduzierten Lupus finden sich im Blut meist Anti-Histon-Antikörper, aber keine Antikörper gegen Doppelstrang-DNA. Beim normalen SLE ist das Gegenteil der Fall: Keine oder nur selten Anti-Histon-Antikörper, dafür häufig Antikörper gegen Doppelstrang-DNA.

Eine weitere wichtige Sonderform ist der kutane Lupus erythematodes. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Veränderungen größtenteils auf die Haut beschränkt bleiben. Von ihm gibt es zahlreiche Varianten, die mit den unterschiedlichsten Hautläsionen aufwarten. In seltenen Fällen kann sich aus einem kutanen Lupus erythematodes ein SLE entwickeln.

Diagnosesicherung

Meist führen Gelenkschmerzen, Fieber und Müdigkeit die Patient*innen zur Ärzt*in. Treten dann auch noch Hauterscheinungen auf, liegt der Verdacht auf einen SLE nahe. Für die SLE-Diagnose müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein. Dazu gehören Befunde aus den Blutuntersuchungen und Organveränderungen.

Blutuntersuchungen. Bei Verdacht werden zuerst die sog. Antinukleären Antikörper (ANA) im Blut bestimmt. Ein ANA-Titer über 1 : 80 bekräftigt die Verdachtsdiagnose SLE. In diesem Fall folgen genauere Blutuntersuchungen. Im Fokus stehen dabei das Blutbild, bestimmte Autoantikörper und weitere Blutbestandteile. Für einen SLE sprechen

  • verminderte rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen
  • Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper und Antiphospholipid-Antikörper
  • erniedrigte Komplementfaktoren, also bestimmte Eiweiße, die im Immunsystem eine Rolle spielen.

Klinische Untersuchungen. Hierbei werden alle vom SLE bedrohten Organe unter die Lupe genommen. Häufig zieht die behandelnde Rheumatolog*in dafür spezialisierte Fachärzt*innen heran, z. B. aus der Kardiologie, Nephrologie oder Pneumologie. Neben bildgebenden Verfahren (Röntgen, Ultraschall, MRT) und weiteren Blut- und Urinuntersuchungen (Kreatinin im Blut, Erythrozyten und Eiweiß im Urin) sind manchmal auch Biopsien erforderlich. Die Proben für die Gewebeuntersuchungen werden aus befallenen Hautbereichen oder, bei Verdacht auf eine Lupusnephritis, der Niere entnommen.

Die Laboruntersuchungen und die klinischen Befunde sind immer in der Gesamtschau zu betrachten. Da Lupuspatient*innen in der Regel nur einige der oben genannten Befunde aufweisen und sich auch nicht immer Antikörper im Blut befinden, werden die einzelnen Ergebnisse bepunktet und diese Punkte zusammengezählt. Bei Erreichen einer bestimmten Summe gilt die Diagnose als hochwahrscheinlich.

Differenzialdiagnosen. Je nach Ausprägung kommen verschiedene Differenzialdiagnosen infrage. Überwiegen die Gelenkbeschwerden, ist vor allem eine rheumatoide Arthritis auszuschließen. Sind Hauterscheinungen prominent, kommen Dermatomyositis und systemische Sklerose differenzialdiagnostisch infrage. Ähnlich wie ein Lupus mit schubweisem Fieber und Gelenkschmerzen kann zudem eine Polyarteriitis nodosa verlaufen.

Behandlung

Eine Heilung ist beim SLE nicht möglich. Ziel der Behandlung ist vielmehr, die Schübe zu verhindern oder wenigstens abzukürzen, die Beschwerden zu lindern sowie dauerhafte Organschäden zu vermeiden. Besonderes Augenmerk gilt dem Erhalt der Nierenfunktion. Aufgrund des kaum vorhersehbaren Verlaufs ist die Kontinuität der ärztlichen Betreuung und das Vertrauensverhältnis zwischen Rheumatolog*in und Patient*in besonders wichtig. Die unterschiedlichen Medikamente werden je nach Schwere und Organbefall eingesetzt und bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen an die Krankheitsaktivität angepasst.

Basistherapie. Alle SLE-Patient*innen sollen Hydroxychloroquin einnehmen – unabhängig von der Krankheitsaktivität. Das Antimalariamittel senkt das Risiko für Schübe und die Sterblichkeit. Die Dosierung wird an das jeweilige Ausmaß der Entzündung angepasst. Zieldosis sind 5 mg/kg Körpergewicht am Tag. Bei leichten Gelenkschmerzen helfen nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), bei leichten Hautbeschwerden Kortisonsalben. Zur Basistherapie gehören auch etliche nicht-medikamentöse Maßnahmen wie z. B. ein konsequenter Lichtschutz (siehe Ihre Apotheke empfiehlt).

Behandlung von Schüben und schweren Verläufen. Reicht Hydroxychloroquin zum Eindämmen der Krankheitsaktivität nicht aus, kommt Kortison hinzu. In schweren Fällen zunächst intravenös als Stoßtherapie, danach anschließend in Tablettenform. Um die unerwünschten Wirkungen von Kortison zu minimieren, versucht man, die Kortisondosis auf weniger als 5 mg/Tag zu reduzieren. Gelingt dies nicht, werden zusätzlich immununterdrückende Medikamente verordnet. Infrage kommen dafür Methotrexat, Azathioprin und Mycophenolat, bei drohendem Organversagen auch Cyclophosphamid. Seit einiger Zeit gibt es mit Anifrolumab und Belimumab weitere Medikamente, die für den Lupus zugelassen sind. Letzteres ist ebenso wie der Calcineurininhibitor Voclosporin besonders zur Behandlung der Lupusnephritis geeignet. Wenn alle Wirkstoffe versagen, sind in schwersten Fällen auch der Plasmaaustausch, die Stammzelltherapie sowie die Gabe von CAR-T-Zellen eine Option.

Prognose

Ist die Erkrankung gut unter Kontrolle, haben die Betroffenen langfristig eine Lebenserwartung, die der von Gesunden gleicht. Die wenigsten SLE-Patient*innen sterben heute in einem Schub oder aufgrund von Organschäden. Durch die beschleunigte Arteriosklerose sind heute stattdessen Herz-Kreislauf-Erkrankungen die häufigste Todesursache beim SLE.

Ihre Apotheke empfiehlt

Was Sie selbst tun können

Hilfe suchen. Die Diagnose SLE ist für die Betroffenen häufig zunächst ein Schock. Je besser man seine Erkrankung versteht, desto besser kann man damit umgehen. Unterstützung bringen Ratgeber und vor allem Selbsthilfegruppen.

Lichtschutz. UV-Licht kann nicht nur die Hauterscheinungen, sondern auch die Krankheit insgesamt aktivieren. Deshalb ist die wichtigste Maßnahme für Lupuspatient*innen ein guter Lichtschutz. Solarien oder direkte Sonnenexposition sind unbedingt zu vermeiden. Im Freien sollten Betroffene auf unbedeckte Hautbereiche konsequent Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor auftragen.

Vitamin D. Das durch UV-Licht in der Haut gebildete Vitamin D ist ein wichtiger Nährstoff für die Knochen. Wer aus gesundheitlichen Gründen die Sonne meidet, sollte regelmäßig den Vitamin-D-Spiegel im Blut messen lassen. Ist dieser zu niedrig, hilft die Substitution von Vitamin D über Nahrungsmittel oder als Vitamintablette.

Infektionsprophylaxe. Auch Infektionen können Schübe auslösen, weshalb sich Betroffene davor schützen sollten. Dabei helfen die gängigen Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und das Meiden von Menschenmengen, insbesondere in Erkältungszeiten. Ist das nicht möglich, können Mund-Nasen-Masken vor Tröpfcheninfektionen mit Viren schützen. Zudem sollte man seine nähere Umgebung von der Erkrankung und der Infektionsgefahr informieren und andere Menschen um das Einhalten von Husten- und Niesetikette bitten.

Impfungen. Impfungen bewahren Lupuspatient*innen ebenfalls vor Infektionen. Der empfohlene Impfschutz ist regelmäßig zu überprüfen und evtl. aufzufrischen – natürlich abgestimmt auf die medikamentöse Behandlung und den Krankheitsverlauf. Totimpfungen wie z. B. gegen Covid-19, Grippe oder Tetanus sind in der Regel unproblematisch. Bei Lebendimpfungen (Masern, Röteln, Mumps) muss die behandelnde Ärzt*in individuell entscheiden, ob diese möglich sind.

Kinderwunsch. Lupuspatient*innen müssen heute nicht mehr auf Kinder verzichten. Zwar sind Fehl- und Frühgeburten etwas häufiger als bei gesunden Frauen. Die Neugeborenen haben aber kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen. Eine Schwangerschaft sollte immer gemeinsam mit der behandelnden Ärzt*in und der Gynäkolog*in geplant werden. Einige Lupusmedikamente dürfen während der Empfängnis und in der Schwangerschaft nicht verwendet werden und sind deshalb durch andere zu ersetzen. Zudem ist eine engmaschige Kontrolle der Krankheitsaktivität wichtig.

Mundgesundheit. Lupuspatient*innen entwickeln häufig Geschwüre im Mund. Treten sie auf, sollte man unbedingt die behandelnde Ärzt*in aufsuchen. Denn Mundgeschwüre können ein Zeichen dafür sein, dass der SLE aktiv ist.

Weiterführende Informationen

Die Lupus Erythematodes Selbsthilfegemeinschaft e. V. hat 3000 Mitglieder und 60 bundesweite regionale Selbsthilfegruppen. Auf ihrer Webseite bietet sie Kontakte und Informationen.


Von: Dr. med. Arne Schäffler, Dr. Bernadette Andre-Wallis in: Gesundheit heute, herausgegeben von Dr. med. Arne Schäffler. Trias, Stuttgart, 3. Auflage (2014). Überarbeitung und Aktualisierung: Dr. med. Sonja Kempinski